Aus
dem Heimatjahrbuch 2007 - Landkreis Mainz-Bingen
mit freundlicher Genehmigung des Verfassers Kurt Hochgesand / Feb.2007
Heinrich Bell zum 100.Geburtstag
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Verfasser Kurt
Hochgesand (links) |
Begründer der Altsteinzeitforschung in Weiler geboren
Geboren wurde Heinrich Bell am 25. Juni 1907. Nach der Elementarschule am Ort erlernte er im elterlichen Betrieb den Beruf des Acker- und Weinbauers. Später führte er zur materiellen Sicherung mit seiner Frau Marianne einen eigenen Winzerbetrieb.
Heinrich Bell war ein Mann mit bemerkenswerten Eigenschaften. Seine Freizeit widmete er neben der Erforschung der Heimatgeschichte der Botanik, der Zoologie, der Geologie und der Archäologie. Dazu kamen noch seine Liebe zur Musik und die Leidenschaft der Jagdausübung. Was ihn als Laienforscher auszeichnete, war seine Beharrlichkeit im Beobachten, seine vielseitige Belesenheit und seine eigene Sichtweise von den Dingen.
Im Binger Wald kannte er alle historisch interessanten Stationen, die Fliehburgen, die Hügelgräber und das „Alte Kloster“. Unter den Fundamenten seines elterlichen Anwesens mitten im Dorf, wo sich einst das Hofhaus des Klosters Rupertsberg in Bingen befand, brachte er Teile einer römischen Villa ans Tageslicht. Dazu Spolien, Keramik und Münzen.
Seine besondere Liebe galt aber der Erforschung der Steinzeit. Schon in seinen jungen Jahren hatte er das mehrfache Glück, durch entsprechende Keramik- und Steinwerkzeugfunde jungsteinzeitliche Siedlungsplätze in seiner Heimatgemarkung nachweisen zu können. Das sich aus den Fundzusammenhängen ergebende Alter einer menschlichen Begehung im Gemeindebereich kann daraufhin mit 4.000 bis 6.000 Jahren angesetzt werden. Bell überlegte: Auf den durch die Kraft des Windes freigelegten, flacheren Geländepartien ohne Lößbedeckung müssten sich menschliche Hinterlassenschaften von viel höherem Alter nachweisen lassen. In den Fluren „Auf dem Kries“ und „Auf der Sandkaul“ und später auch „Auf der Rahl“ in der Münster-Sarmsheimer Gemarkung wurde er fündig. Es waren grob bearbeitete, aus Quarzitgeröllen geschlagene Gesteinsscherben und Kernstücke mit Werkzeugcharakter. Einige glichen den in einer Fundschicht in der Wallertheimer Ziegeleigrube 1927/25 von Professor Dr. Schmittchen an einem Neandertaler-Rastplatz ausgegrabenen Stücken. Es gab keinen Zweifel, Bells oberflächig aufgelesene Funde waren denen von der Wallertheimer Ziegeleigrube in ihrer Beschaffenheit und Form gleich oder ebenbürtig. Leider teilte keiner der zuständigen Fachleute damals die Feststellung Bells, die als eine Sensation galt.
Trotz abweisender Beurteilung seiner neuen Theorie durch Fachgrößen blieb er bei seiner Überzeugung. Nur zögernd setzte sich seine Ansicht durch. Dr. Schermer, der damalige amtliche archäologische Denkmalpfleger in Mainz, verhalf ihm mit seiner positiven Haltung gegenüber Bells Auffassung zum Durchbruch. Nahetal-Paläolithikum war die prägende Bezeichnung.
Zwischenzeitlich hatte Bell sein Wissen an jüngere steinzeitlich Interessierte weitergegeben. Innerhalb weniger Jahre wurden aus mehr als einem Dutzend Gemarkungen an der unteren Nahe altsteinzeitliche Gerätschaften gemeldet. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, von Frühmenschen hier am Ort zu reden, die den Lebensraum mit längst hier ausgestorbenen Tieren wie Mammut, Wisent, Rentier und Wildpferd vor vielen tausend Jahren teilten.
Wo einst weiße Flecken auf der Verbreitungskarte noch einen größeren Raum einnahmen, liegen heute die dinglichen Hinterlassenschaften des altsteinzeitlichen Menschen greifbar vor uns. Wir blicken zurück auf die Entwicklung der hiesigen Forschungsgeschichte der Altsteinzeit, die mit Heinrich Bell vor mehr als 60 Jahren ihren Anfang nahm. Viele haben ihm später nachgeeifert, er aber hatte den ersten Schritt getan.Heinrich Bell ist am 1. Mai 1986 im Alter von 79 Jahren gestorben. Sein Geburtstag jährt sich am 25. Juni 2007 zum 100. Mal.