Der Lebensweg von Heinrich E. Bell
wurde beschrieben in dem nachfolgenden Artikel von Kurt Hochgesand
erschienen im Jahr 1996 in "Binger Geschichtsblätter" 19. Folge
Herausgeber: "Historische Gesellschaft Bingen e.V."
Heinrich Bell, Begründer der
Altsteinzeitforschung im Binger Raum
Von Kurt Hochgesand
Am 1. Mai 1986 verließ Heinrich Bell aus Weiler, fast 79-jährig, diese Welt. Allzu früh und ohne sein Hauptlebenswerk, die Erforschung der Altsteinzeit in der Gegend um Bingen, zu Ende geführt zu haben.
Am 1. Mai 1996 jährt sich sein Todestag zum 10. Mal. Es ist mir, dem Autor, eine Ehre und selbstverständliche Verpflichtung, in Ermangelung anderweitiger Würdigungen zur Feder zu greifen und in einer Nachbetrachtung zu seinem Leben den Versuch zu machen, die einzelnen Stationen seines Schaffens nachzuzeichnen.
Wer
war eigentlich Heinrich Bell, so wird sich mancher fragen, der ihn nicht selbst
gekannt oder von seinen interessanten Entdeckungen im Bereich der heimatlichen
Vorgeschichte noch nichts gehört hat. Weiter wird man fragen, welche
überragenden Taten werden Bell zugeschrieben, die es rechtfertigen, in dieser
Weise und an dieser Stelle eine Würdigung zu erhalten.
Heinrich Bell war ein Mann, der auf seine eigene Art den Beweis antrat, dass sich die in Lehrbüchern beschriebenen menschheitsgeschichtlichen Abläufe nicht in irgendeiner zitierten Weltferne abgespielt haben, sondern auch bei uns dicht „vor unserer Haustür" stattfanden. Mit seinen steinernen Werkzeugfunden legte er dies klar vor Augen. Dabei brach er die alten, verkrusteten Annahmen, „der frühe Mensch hätte nur in Höhlen gehaust", auf und verursachte damit bei der einschlägigen Fachwelt seiner Zeit die Anregung zu einer geistigen Revision. Was heute in der nachgeborenen Generation gern geringschätzig mit „Steine sammeln" abgetan wird, war damals harte Überzeugungsarbeit gegen die landläufige Meinung.
Über seine neuen Entdeckungen äußerte er sich hauptsächlich in verbaler Weise. Es lag nicht in der Natur seines Wesens, Aufsätze zu schreiben oder Vorträge zu halten. Ganz aus der Nähe und in kleinem Kreis von Interessierten zeigte er seine Funde gern vor und kommentierte sie nach seiner Anschauung. Wie überhaupt das Gespräch - nicht die Schrift - der hauptsächliche Mittler war zwischen den Fachleuten und ihm.
So ist es auch verständlich, dass es von ihm selbst über seine Entdeckung fast keine eigenen Schriften an geeigneter Stelle gibt Nur ein, mehr als ein Überblick gehaltener Aufsatz mit dem Titel „Steinzeit am Rhein-Nahe Eck" erschien von ihm 1979 im „Heimatjahrbuch des Kreises Mainz-Bingen". Aus seiner umfangreichen Sammlung sind nur einige Einzelstücke von verschiedenen Autoren unter mannigfachen Themen behandelt worden. Eine umfassende Vorstellung der Sammlung ist zeit seines Lebens und auch nach seinem Tode nicht mehr erfolgt. Somit finden wir seinen Namen zwar vereinzelt in Verbindung mit der Aufzählung der Fundplätze in Aufsätzen fremder Autoren wieder. In den Literatur- und Quellenlisten der Fachliteratur fehlt sein Name. Kein Zitat und keine Bemerkung erinnert im weiten Schrifttum an Bell selbst.
Aus diesem Grunde sei in der weiteren Abfolge auf die Tat des Heimat- und Geschichtsforschers Bell näher eingegangen. Hauptsächlich aber auf den Teil seiner Lebensgeschichte, den er seinem Hobby, der „Erforschung der Altsteinzeit in der Umgebung von Bingen", mit allen Kräften gewidmet hatte. Seinem Lebenswerk, mit dem er sich selbst in den Reihen von Facharchäologen Beachtung und Anerkennung erarbeitet hatte. Angestiftet von einem inneren Drang nach der Erweiterung des Wissens und immer auf der Suche, das bestehende Bild vom Leben des frühen Menschen weiter auszubauen und zu präzisieren. Geleitet von einer Idee, an der er mit Ausdauer und Beständigkeit den größten Teil seiner schöpferischen Kraft aufbrauchte.
Bell wurde in seiner Heimatgemeinde Weiler im Jahr 1907 geboren. Nach dem Absolvieren der Elementarschule in Weiler und der Realschule in Bingen blieb er im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb und arbeitete dort als Bauer und Winzer. Die Liebe zur Natur und der Umgang mit der heimatlichen Tier- und Pflanzenwelt waren ihm mit der Geburt als elterliches Erbe mitgegeben. Er verstand sich mit der Jagd genauso wie mit dem Musizieren, auch anspruchsvoller Musik, am Klavier. Durch intensives Eigenstudium brachte er es schon als junger Mann zu manchen neuen Erkenntnissen in der ihn täglich umgebenden Natur. Er entdeckte in seinen Feldern Faunenreste einer längst vergangenen Erdepoche in Form von Versteinerungen. Er beobachtete mehrfach die ganz seltene Äskulapnatter, wenn sie sich auf Büschen sonnte. Dies waren Eindrücke, die selbst honorigen Naturforschern in dieser Gegend lebenslang versagt geblieben waren. Das Vorkommen seltener Spinnenarten und Schmetterlinge merkte er sich genau und machte Zeichnungen und Notizen davon. Das jährliche Auftreten von seltenen Wintergästen in der Vogelwelt registrierte er ebenso genau. Manchmal fand er kleine, blühende Orchideen in den Wiesen und im Wald Arten, die bisher noch niemand beachtet hatte. In den Jahren kurz nach dem Krieg entdeckte er in den Rheinkribben bei Bingerbrück eine tropische Pflanze, die sich „Haargurke" nennt. Sie war ein botanischer Irrgast, dessen Heimat in Südostasien, im Indischen Ozean, liegt und die wahrscheinlich mit einer überseeischen Schiffsfracht hierher kam. Alles in allem, sein Interesse gerade an den gemeinhin verborgenen Dingen in der Natur war größer als das für das Normale, Vordergründige und das unmittelbar Fassbare.
Was Bell am Anfang noch gar nicht wissen konnte: er war in eine Landschaft hineingeboren worden, in der es von geschichtlichem Kulturgut der Vor- und Frühzeit nur so wimmelte. Angefangen von den ersten Ackerbauern der Jungsteinzeit über die nachfolgenden Metallzeiten bis zur römischen Epoche und der nachfolgenden Merowingerzeit. Reste fast jeder Kultur waren im Weilerer Gemeindebezirk vorhanden; Reste, die sich als Überbleibsel ehemaliger Dorfstellen unter der Ackeroberfläche verschleift verborgen hielten, alte Straßenzüge, Römervillen oder Grabstätten, die auch einen sicheren Beweis menschlichen Daseins am Ort darstellen.
Dieser Reichtum an alten geschichtlichen Zeugnissen im Gemeindebezirk von Weiler kommt nicht von ungefähr. Er hängt mit seiner besonderen Lage in der Landschaft zusammen. Einmal ist es die Nähe zur Einmündung von der Nahe in den Rhein, zum anderen liegt diese Ursache in den örtlichen Gegebenheiten. Die die Flüsse begleitenden Wanderwege tangierten zu allen Zeiten das Weilerer Gebiet, das sich dem Landsuchenden zum Rasten und Bleiben anbot. Zum anderen verfügt die Weilerer Gemarkung über verschiedenartige Landschaftstypen, die die Bedingungen für die Anlage von Wohnplätzen in idealster Weise erfüllen. Geschützte Lagen auf Lößböden. Das war in der Regel in der Vorzeit das begehrte Siedlungsland, das durch das Vorhandensein der nimmer versiegenden Quellen in den Talgründen des Mühe- und Krebsbaches noch an Wert gewann.
Mit dem Fund einer behauenen Feuersteinknolle, die er beim Ausheben eines Pflanzloches für einen Baum zufällig aufhob, ward sein Interesse für alte menschliche Kulturen geweckt. Der Feuerstein, ein so genanntes „Kernstück", war ein Werkabfall einer jungsteinzeitlichen Menschengruppe, die ehemals in der Nähe ihre Behausung hatte. Bell hatte bald gelernt, dass man auch an der Ackeroberfläche, ohne nachzugraben, steinerne Werkzeuge dieser alten Bewohner aufsammeln konnte. Die besten Chancen hatte man, wenn die Ackeroberfläche abgeregnet war. Schaber, Messerklingen, Pfeilspitzen, Stichel und Bohrer, alles aus Feuerstein gemacht, waren in der kommenden Zeit die Lieblinge seines Interesses. Dazu gesellten sich noch die vielgestaltigen Reste von geschliffenen Steinbeilen, von Gefäßscherben aus Ton und die Trümmer von steinernen Handmühlen und vieles andere mehr. Anhand der Funddichte ließen sich auf der Katasterkarte Schwerpunkte bilden, die man mit einigen Vorbehalten „Siedlungsplätze" nennen konnte. Die verschiedenartigen Formen der Geräte und die mannigfachen Materialien, die bei der Herstellung Verwendung gefunden hatten, ließen eine Zuweisung zu verschiedenen Kulturen zu. Bald war es für ihn keine Schwierigkeit mehr, Altes und Jüngeres genau zu unterscheiden.
Bei Umbauarbeiten entdeckte er auf dem Grundstück seines Elternhauses, dessen Vorläufer das Hofhaus des Binger Klosters auf dem Rupertsberg war, römisches Mauerwerk und Schuttmaterial von ehemaligen Bauten. In diesen Schichten fand Bell neben römerzeitlichen Spolien auch noch Tonscherben und Münzen aus dieser Zeit. Ein weiteres Objekt, dem er sein Interesse widmete, war das „Alte Kloster“ im Binger Wald. Was sich unter diesem Namen im Sulg, im Binger Vorderwald, verbarg, waren ebenfalls die Rudimente einer römerzeitlichen Villa rustica, die zu der Zeit noch über mannshohe Mauerreste verfügte. Bell hatte zu seiner Zeit dort manche Schachtel Kulturabfall aufgelesen und verwahrt. Heute ist die Ruine dem Erdboden weitgehend gleichgemacht und bietet sich dem Beschauer eher unauffällig.
Auch die beiden vorzeitlichen Abschnittswälle im Binger Vorderwald, der „Damianskopf“ und die „alte Schanz“, sowie die zahlreichen Hügelgräber in den umliegenden Wäldern galten seinem Interesse. In vielzähligen Exkursionen hat er diese Relikte der Keltenzeit immer wieder erwandert und ihre Oberfläche erforscht. Noch im hohen Alter erinnerte er sich mit einer erstaunenswerten Präzision an manche Eigentümlichkeit an diesen Objekten.
Bell beließ es nicht nur bei der praktischen Sammelarbeit. Er ging jeder Gelegenheit nach, seinen Wissenshorizont zu erweitern. Über das Beschaffen und Lesen von einschlägiger Fachliteratur hinaus besuchte er auch manchen Vortrag mit geschichtlichem Inhalt in Bingen und in Bad Kreuznach. Auf diesem Wege wurden ihm Funde und Fundumstände der für unsere Region bedeutenden jungpaläolithischen Fundplätze „Mainz Linsenberg" und der aus dem „Lindengrund" bei Heddesheim (heute Guldental) bekannt. Mit dem Entdecker des Fundplatzes „Lindengrund", Herrn Kilian aus Stromberg - selbst ein passionierter Natur- und Geschichtsforscher - unterhielt er noch lange Jahre freundschaftlichen Kontakt.
Der Besitz von Gegenständen dieser fernen vormetallischen Zeit in den Händen eines Laien rief auch bald die Fachleute auf den Plan. Zunächst war es der Kreuznacher Museumsdirektor Karl Geib, der Ansprüche anmeldete und aus seinen Besitzabsichten keinen Hehl machte. Für Bell war von alledem, was er auf seinen Feldern aufgelesen und zusammengetragen hatte, nichts feil für die Auslagen eines Kreismuseums. Jedes einzelne Stück wurde ihm selbst zum Studienobjekt. Auch ein Abkommen über eine Leihgabe für befristete Zeit kam für ihn nicht in Frage.
Bei seinen Feldgängen, die Bell nun auch auf das Gebiet der Münster-Sarmsheimer Gemarkung ausgeweitet hatte, bemerkte er im Fundgut des öfteren geschlagene Quarzitgerölle, mit denen er zunächst noch nichts anzufangen wusste. Es hatte sich aber zu der Zeit schon bei den Interessierten herumgesprochen, dass auf einem Rastplatz bei Wallertheim (Rheinhessen) ebensolche beschlagenen Quarzitgerölle mitsamt Knochen eiszeitlicher Tiere unter meterdicker Erdbedeckung aufgefunden wurden. Der Platz, den man beim Abbau von Ton für die Backsteinherstellung antraf, wurde von dem Mainzer Zoologieprofessor Dr. Schmidtchen als Rastplatz eiszeitlicher Wanderjäger interpretiert. Wie man den übrig gebliebenen Knochen entnehmen konnte, waren es durch die Bank kälteliebende Tiere wie Mammut, Wollnashorn und Rentier, die dem damaligen Menschen als Nahrung gedient hatten.
Von eminenter Wichtigkeit für die Steinzeitforschung aber war die Tatsache, dass die Menschenhorden an ihrem Rastplatz aus Quarzitgeröllen geschlagenes Steingerät als Werkzeug benutzten. Der Ausgangsstoff für die primitiven Werkzeuge in Wallertheim waren die gleichen Gerölle, wie sie auf den Schotterfeldern der Nahe und ihrer Seitenbäche anzutreffen waren. Diese Erkenntnis öffnete der Forschung in unserer Gegend eine ganz neue Dimension. Denn in den Beschreibungen der klassischen Fundstellen des Altsteinzeitmenschen, z. B. aus Frankreich, war bisher immer nur von Feuerstein als Wergzeugrohstoff die Rede. Und gerade diese Art leicht spaltbaren, scharfkantigen Gesteins kommt bei uns in der Natur nicht vor. Was für die damaligen Altertumssachverständigen im Kehrschluß auch ein Grund dafür war, alle Werkzeuge, die nicht aus Feuerstein gemacht waren, als fragwürdig zu betrachten.
Heute weiß man genau, dass in weiten Teilen Deutschlands, dort, wo es. keinen Feuerstein gibt, auf andere örtlich vorhandene Gesteine zurückgegriffen wurde. Die Verwendung von Quarzitgestein als Werkzeugrohstoff ist vielerorts auch über die Grenzen unseres Landes hinaus nachgewiesen.
Nachdem er sich bei einem Besuch im Mainzer „Naturhistorischen Museum" die Wallertheimer Fundstücke einmal angesehen hatte, bestätigte sich der schon länger gehegte Verdacht, dass seine behauenen Quarzitgerölle auch Grobwerkzeuge sein könnten. Bell verwahrte manche Stücke sorgfältig. Einige davon, bei denen er sich noch unsicher war, versteckte er an ihrem Fundplatz unter Hecken in der Gemarkung, um sie sich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anzusehen. Einfach deshalb, weil es ihm zu der Zeit noch schwer fiel, sie generell als von Menschen gemacht anzusehen.
Es begann der Zweite Weltkrieg. Auch Bell musste mit seinem Dienst an der Waffe zur Wehrkraft des Heeres beisteuern. Als vielseitig Interessierter gewann er fast jeder Lebenslage ihre guten Seiten ab. Er bekam Städte zu Gesicht, wie er sie sich in den schönsten Träumen nicht erdacht hätte. Er besichtigte alles Sehenswerte, vor allem aber die Museen, die es in den großen Städten (Berlin, Leipzig, Dresden, Königsberg und Stettin) gab, und bannte alles, was für ihn einen Wert hatte, auf Fotopapier oder auf Dias. Er besaß z. B. eigene Fotos von dem berühmten „Bernsteinzimmer".
Bei einem längeren Aufenthalt in Ostpreußen gelang ihm die Entdeckung eines mittelsteinzeitlichen Lagerplatzes im Dünensand eines Seeufers. Innerhalb weniger Wochen sammelte er dort eine ganze Anzahl „Mikrolithen" auf. Mikrolithen, das sind die steinernen Besatzstücke, mit denen diese Kultur (vor 5000 bis 8000 Jahren v. Chr.) ihre meist hölzernen Werkzeuge und Waffen bestückt hatte. Diese mit kleinen Perlretuschen versehenen Steinchen sind nur bis zu 3 cm groß und oft nur der einzige Hinweis auf die Anwesenheit des Menschen an dem betreffenden Ort. Er gab den Großteil seiner Lesefunde im zuständigen dortigen Museum ab, wofür er von dessen Direktor einen Dankesbrief erhielt. Einen Teil seiner aufgesammelten Stücke konnte er noch per Post in die Heimat schicken. Für ihn war dies eine tolle Kriegserinnerung, auf die er später immer mit Stolz verwies.
Nachdem der Krieg zu Ende war, den er ohne größere Blessuren überstanden hatte, begann Bell mit seinem lieb gewonnenen Hobby, der Steinzeitforschung, fortzufahren. Und wieder fielen ihm bei seinen Feldgängen die behauenen Quarzitbrocken auf, die er hin und wieder von der Ackeroberfläche auflas. Die vor dem Krieg unter den Hecken deponierten Stücke fand er in all den Jahren hinterher nicht mehr. Die waren verloren.
Als Bell an einer Böschung des Müheweges ganz zufällig eine verdächtige Schicht bemerkt hatte und dies behördlich anzeigte, kam ein Grabungsteam aus Bonn nach Weiler, um sich um die Entdeckung weiter zu kümmern. Zu der Zeit lag die Zuständigkeit für die Betreuung von Bodenfunden noch beim Landesmuseum in Bonn. Eine Regelung, die sich nach der Gründung des Landes Rheinland-Pfalz im Jahr 1949 erst geändert hat.
Der Mainzer Professor Dr. Gustav Behrens war der erste, der von Mainz aus die Betreuung von Neufunden in diesem Bezirk, dem Kreis Kreuznach, versah. Er war schon lange vor dem Krieg beim gemeinsamen Erwandern der Erdaltertümer im Binger Wald mit Bell bekannt geworden. „Immergrünbund" nannte sich damals die Vereinigung der Geschichtsinteressierten. Nun veröffentlichte Behrens einen Teil von Bells neolithischen Steinwerkzeugfunden im Katalog über „Die Binger Landschaft in der Vor- und Frühgeschichte". Das im Jahr 1954 von ihm herausgebrachte Werk mit den gezeichneten Wiedergaben aller vorgestellten Stücke hat bis zum heutigen Tag seinen Wert als wissenschaftliche Quelle nicht verloren. Mit den altertümlichen behauenen Geröllen hingegen, die ihm Bell vorlegte, wusste Behrens nichts anzufangen.
Es müsste sich eine Regel finden lassen, war Bells Gedanke, nach der man beweisen konnte, dass die Geröllwerkzeuge aus Quarzitgestein älter waren als die der jungsteinzeitlichen Siedlungsvölker hier. Seine gute Beobachtungsgabe brachte ihm in dieser Frage die entscheidende Hilfe. Während die Fundplätze der jungsteinzeitlichen Siedler immer auf Lößboden in windgeschützter Position oder Wassernähe lagen, fanden sich die groben Quarzitstücke meistens an Stellen, an denen es keine Lößbedeckung gab.
Heinrich Bell erklärte später dazu selbst, dass es in der Hauptsache zwei verändernde Kräfte in der Natur gäbe, eine konservierende und eine freisetzende Kraft: „In unserer hügeligen Landschaft wäre die Bodenoberfläche über die Zeit vielerlei Veränderungsvorgängen unterworfen gewesen. An den Bergflanken seien die Oberflächen der Hangerosion ausgesetzt, deren Intensität mit der Steilheit eines Hanges zunähme. Bei gewissen Bodenzusammensetzungen beginne, unterstützt durch Wasser und Frost, schon bei geringer Neigung ein Abfließen der Erde talwärts. Die auf diesen Oberflächen liegen gebliebenen Werkzeuge des frühen Menschen müssten zwangsläufig mit hangabwärts geflossen sein und sich als Talfüllung weiter unten ohne geregelte Schichtungen wieder aufgebaut haben. Dort kämen die eingeschlämmten Steinwerkzeuge nur bei Ausschachtungen gelegentlich wieder ans Tageslicht, wie in Wallertheim.“
„Eine andere verändernde und gestaltende Kraft sei der eiszeitliche Wind gewesen. In den Eiszeiten, von denen es mehrere gegeben hat, hätte der Wind an nicht mit Schnee und Eis bedeckten Stellen die feinen, gefriergetrockneten Bodenteile fortgeweht. An den windabgekehrten Seiten der Hügel hätten sich daraus die Lößschichten abgelagert. Auf den vom Wind freigeblasenen Flächen bliebe alles Steinmaterial aufgrund seiner Schwere an Ort und Stelle liegen. Dieser Art Flächen kämen hauptsächlich als Fundplätze alter Steinwerkzeuge in Frage, vorausgesetzt, dass der vorzeitliche Mensch je hier gelebt hat", war sein Gedanke.
Diese Bellsche Theorie hatte aber den Nachteil, dass auf diesen Flächen alle Arten von Funden vorkamen, ohne sie zunächst zeitlich voneinander trennen zu können. Es bedurfte schon einiger Übung, lediglich nach der Herkunft des Rohmaterials eine Sortierung vorzunehmen. Wobei auch Bell schon bekannt war, dass jungsteinzeitliche Kulturen sich auch in vielfältiger Weise der Quarzitgerölle bedienten (z. B. Pick- oder Klopfsteine).
Was man zur weiteren Bestimmung von Artefakten unbedingt brauchte, waren gute Abbildungen und Beschreibungen von einwandfrei bestimmbaren Befunden. So war ein Studium der einschlägigen Fachliteratur unerlässlich. Nach und nach musste er sich diese meist in niedrigen Auflagen aufgelegten und damit umso schwieriger erreichbaren Schriften beschaffen. Fund- und Grabungsberichte von Höhlen in China, die Geschichte der Entdeckung des Javamenschen, Neufunde aus der Oldowayschlucht in Afrika, Höhlenfunde aus Jabrud in Syrien und ungezählte Aufsätze von Entdeckungen altsteinzeitlicher Fundstellen in Frankreich, Belgien, Österreich und Deutschland, um nur einige zu nennen. Die Namen der Verfasser wie Teilhard de Chardin, Dubois, Oakley, Leakey, Breuil und Bordes waren ihm genauso bekannt wie die der inländischen Fachleute wie z. B. Adam, Obermaier, Schwabedissen, Grahmann, Menghin, Heberer, v. Koenigswald, Kühn, Rust und Zotz. Zu seinem angelesenen Grundwissen kam nun noch seine sich über die Jahre angereicherte Erfahrung. Nach den Methoden der Analogie, des Vergleiches also, konnte er dann das Gefundene nach der bekannten Typologie zeitlich und kulturell einordnen.
Wie sehr sich Bell auch bemühte, den für die Bodenaltertümer auch in unserem Raum zuständigen Prof. Behrens davon zu überzeugen, dass seine Theorie richtig war, erhielt er nur abweisende Äußerungen als Antwort. Man hatte sich auf die Höhlentheorie zu sehr festgelegt. Mit dem Gedanken, auch in der freien Landschaft altsteinzeitliche Artefakte bergen zu können, hatte man sich partout nicht anfreunden können. Der Fund einer gestielten neolithischen Feuersteinpfeilspitze veranlasste Dr. Behrens zu anerkennenden Worten und zu dem Ausspruch: „Bell, sie haben das Dorf Weiler um einige tausend Jahre älter gemacht. Herzlichen Glückwunsch". Über eine treffende Aussage zu den Quarzitwerkzeugen schwieg er sich aber beharrlich aus oder verwies schon ein Ansinnen daran ins Phantastische.
Auch der Weilerer Ortspfarrer hatte etwas gegen Bells eigensinnige Auslegung von der frühen Menschheit. Hatte er in früheren Jahren seinem eifrigen Forschen Beifall gezollt und manches interessante Gespräch mit ihm geführt, jetzt, wo er Dinge vorwies, die älter waren als das biblische Paradies, so meinte Bell selbst, meide der Pfarrer seine Gegenwart. Selbst mit zunehmendem Alter wurde diese Kluft nicht mehr repariert.
Erst der Amtsnachfolger von Behrens, Dr. Heinz Schermer aus Mainz, pflichtete Bells Theorie bei. Er sah wie Bell in den zusammengetragenen behauenen Geröllen auch alte Werkzeuge. Diese erste Zustimmung gab ihm Auftrieb zu weiterem Sammeln und Beobachten. Darüber hinaus wagte er die ersten zaghaften Versuche, sich in der Szene der etablierten Altsteinzeitforschung bekannt zu machen. Der erste Schritt war, die damalig durch die Ausgrabungen von Jabrud in Syrien und Arensburg und Stellmoor in Schleswig-Holstein bekannt gewordene Koryphäe in der Steinzeitforschung, Alfred Rust, zu sich einzuladen. Grund dafür war ein archäologischer Befund, den Bell beim Ausheben der Fundamentgräben seines Kelterhauses auf seinem Grundstück tief in der Erde antraf. Dort lag auf einer Schichtebene ein Rengeweih zusammen mit einem Steinwerkzeug aus Quarzit.
Rust kam von Arensburg nach Weiler, er beurteilte den aktuellen Fund sowie die steinzeitliche Sammlung des Hauses in fachlicher Weise und feuerte Bell dazu an, weiterzumachen. Noch heute verweist Marianne Bell gern auf den Namen Alfred Rust in ihrem Gästebuch.
Auf der Suche nach weiterer Anerkennung besuchte Bell auf Einladung von Rust 1957 eine in Marburg abgehaltene Tagung der Altsteinzeitforscher in Deutschland. Seine ausgestellten Quarzitgeräte fanden allgemeine Beachtung. Der Erlanger Professor Dr. Lothar Zotz erwähnte Bells vorgelegte Stücke unter anderem in seinem 1960 erschienenen Aufsatz „Das posthume Eolithenproblem in Deutschland".
Auch ein Jahr später, bei einer Tagung des gleichen Forscherkreises in Gießen, gewann er mit den vorgeführten Steinwerkzeugen einen allseitigen Zuspruch. Dr. Herbert Krüger aus Gießen, Museumsdirektor und Altsteinzeitforscher, nahm in der folgenden Zeit mit Bell näheren Kontakt auf. Krüger hatte in seinem oberhessischen Denkmalpflegebezirk ähnlich gelagerte Probleme wie Bell am Rhein-Nahe-Eck. Auf der Suche nach einer genaueren zeitlichen und kulturellen Definition der Geröllwerkzeuge wandte sich Krüger einem Fundensemble zu, das aus der Formsandgrube Faust in Heddesheim (heute Guldental, Kreis Bad Kreuznach) stammte. Ihm gelang zum ersten Mal an einem Stück aus Bells Sammlung durch Formparallelität eine kulturelle Zuweisung, wie er in seinem Beitrag „Ein diskoider Rundschaber im Jungpaläolithikum von Heddesheim", Mainzer Zeitschrift 1964, darlegte.
Pünktlich zur 2000-Jahr-Feier der Stadt Mainz stellte Bell 1963 eine Auswahl seiner altsteinzeitlichen Sammelstücke dem Landesmuseum für eine Sonderschau zur Verfügung. Noch heute befinden sich Bells Stücke in dieser Auslage, stellvertretend für die inzwischen auf viele tausend Einzelteile herangewachsene Menge an Fundmaterial zwischen Rhein und Nahe.
Dr. Schermer war inzwischen verstorben. Als sein Nachfolger hatte Dr. Bernhard Stümpel die Leitung des Landesamtes für Bodendenkmalpflege übernommen. Dr. Stümpel, selbst ein Fachmann für die Zeit der Kelten, hatte nicht im geringsten Zweifel an der Richtigkeit von Bells Interpretation. In einer 1966 herausgegebenen „Chronik des Kreises Kreuznach" erwähnte er das Vorhandensein altsteinzeitlicher Fundstellen „in und um Weiler bei Bingerbrück".
Bell hatte inzwischen in der näheren und weiteren Umgebung Gesellschaft bekommen. Es waren jüngere Leute, die ihre eigene Forschung an dem von ihm vorgezeichneten Prinzip ausrichteten. Ihnen stand er in vielen Begegnungen als Berater zur Seite. In dieser Verbindung nannte 1978 der Kölner Professor Dr. Gerhard Bosinski Bell „den Nestor der hiesigen Steinzeitforschung". Durch die Initialzündung Bells veranlasst, entstand in wenigen Jahren, über viele Ortsgemarkungen des Gebietes der unteren Nahe verteilt, ein beachtlich dichtes Netz von altsteinzeitlichen Fundstellen. Auch da zeigte sich wieder Krügers Fachkompetenz. Er schrieb im Jahre 1968 eine Abhandlung mit dem Titel: „Sind die Spätacheuléen-Faustkeile des unteren Nahegebietes präwürmzeitlichen Flächen inkorporiert?", ein in „Quartär", Bd. 19, erschienener Fachaufsatz, der die Gründe für die Schwierigkeit der zeitlichen und kulturellen Zuordnung von Lesefunden nüchtern untersucht und behandelt. „Nahetalpaläolithikum" war der von Krüger geprägte Sammelbegriff für die mannigfachen Erscheinungsformen der altsteinzeitlichen Kulturen im Raum zwischen Bingen und Bad Kreuznach.
Von Nachteil war, dass sich das Landesamt für Denkmalpflege in seiner Bemühung um die Aufnahme von Funden nicht sehr um das Geröllmaterial kümmern konnte. Während die Funde aus den jüngeren geschichtlichen Epochen in den entsprechenden Jahreskatalogen regelmäßig Eingang fanden, fanden Fundberichte über altsteinzeitliche Werkzeuge nur ganz wenig Berücksichtigung. Der Grund dafür war, dass die Stücke in langwierigen Prozeduren einzeln nach der Natur und den vorgegebenen Regeln gezeichnet werden mussten. Der Dienststelle in Mainz fehlte dazu die Kapazität an Zeichenpersonal. Erst zu fest umrissenen Veröffentlichungsvorhaben bekam man Zeichenarbeiten gemacht, oder sie wurden in Amtshilfe in einer anderen Institution erledigt. Erst eine gezeichnete Darstellung hat für den kundigen Betrachter einen Aussagewert. Dieser Mangel an gezeichneten Wiedergaben von Altsteinzeitfunden betraf nicht nur Bell, sondern auch alle anderen Steinzeitsammler dieser Region.
Mit der im Jahr 1969 in Bad Kreuznach abgehaltenen Tagung der „Hugo-Obermaier-Gesellschaft", einer Vereinigung, die sich mit der Erforschung der Eiszeiten und ihren Kulturen befasst, erhielt dieses Gebiet mit seinen Forschungsaktivitäten eine Würdigung.
Zahlreiche Teilnehmer kamen aus dem In- und Ausland. In mehreren Fachvorträgen nahmen bekannte Forscher Stellung zu den mannigfachen Problemen dieser Sparte der archäologischen Forschung. Angeregt von den Auslagen der begleitenden Ausstellung, hat in einer Abhandlung über die „Verbreitung von Faustkeilen in Mitteleuropa" der Kölner Professor Dr. H. Schwabedissen auch die Faustkeile des unteren Nahegebietes genannt (Festschrift A. Rust, Fundamenta 1970).
Bei der die Tagung begleitenden Ausstellung fiel ein Sammelstück von Bell in besonderer Weise auf. Einige der Beteiligten sahen in einem aus grauem Achat bestehenden und sorgfältig behauenen Abschlag das Abbild einer „Venusfigur". Venusfiguren oder Frauenstatuetten sind altsteinzeitliche Objekte, die einem Frauenkörper stilisiert nachempfunden sind und in Religion und Kult eine Rolle gespielt haben. Auf Schieferplatten eingeritzt fand man ebensolche Darstellungen bei einer Ausgrabung in Gönnersdorf bei Neuwied. Frau Professor Dr. Elisabeth Schmid aus Basel erbot sich, eine Beschreibung des kleinen Stückes gern vorzunehmen. Bell war dies recht. Frau Schmid nahm sich der Sache an und veröffentlichte 1973 ihren Beitrag „Eine jungpaläolithische Frauenfigur aus Achat von Weiler bei Bingen" in der Schriftenreihe „Quartär", Bd. 23/24.
Leider blieb die Anerkennung der „Achatfigur" nicht ohne Widerspruch. Denn in den, von zwei namhaften Steinzeitkennern herausgegebenen Werken über die Kunst der Eiszeit in Deutschland (Bosinski und Müller-Beck, 1982 und 1987) findet das Weilerer Stück leider keine Erwähnung. Lediglich Ernst Probst räumt in seinem 1991 herausgebrachten großen Werk „Deutschland in der Steinzeit" dem Fund Bells eine Notiz ein.
Eine Eigendarstellung von Bells „Steinzeitmuseum in Weiler" ist in der von dem ehrwürdigen Binger Heimatgeschichtier Rudolf Friedrich Engelhardt herausgegebenen Schriftenreihe „Binger Annalen", Heft 1/1973, abgedruckt. Bell führt den Leser von den ersten geschichtlichen Anfängen an über die einzelnen aufeinander folgenden Kulturepochen hin bis zur beginnenden Metallzeit. Bilder von seinen eigenen Sammelstücken ergänzen dabei das Geschriebene. Beginnend mit Steinwerkzeugen, die er denen des „Heidelberger Menschen" gleichsetzt, über „Diskus-Artefakte" und Faustkeile des „Abbevillien" bis hin zu den Handspitzen des „Neandertalers" reicht die Palette seiner altsteinzeitlichen Quarzitwerkzeuge. In der Folge sind einige Beispiele von neolithischen Steinbeilen und Feuersteinpfeilspitzen sowie Lampenschalen und ein Knochenfund abgebildet.
In dem dem Entdecker des Neandertales, Dr. Johann Fuhlrott, zum 100. Todestag am 17. Oktober 1877 gewidmeten und von dem Rheinischen Landesmuseum Bonn 1978 herausgebrachten Katalog über die „Alt- und mittelsteinzeitlichen Fundplätze im Rheinland" ist auch der Fundort Weiler aufgeführt. Der Marburger Prof. Dr. Lutz Fiedler gibt an dieser Stelle einen gerafften Überblick über die einzelnen Fundstellen und Sammler des Gebietes der unteren Nahe.
Durch seine nach allen Richtungen offen gehaltenen Verbindungen zur anerkannten Fachwelt kamen viele Besucher nach Weiler, um sich seine Sammlung anzusehen. Viele waren in Sachen Altsteinzeit kompetente Leute mit viel Erfahrung und europaweitem Überblick. Manche der Besucher sprachen von einer systematischen Aufarbeitung des in 40 Jahren aufgesammelten Materials und boten Bell ihre Mithilfe an. Doch zu einer Durchführung solcher Pläne kam es nicht. Alle gut gemeinten Ansätze zerschlugen sich, noch ehe richtig damit begonnen wurde. So blieb die Sammlung Bells, außer den wenigen Nennungen bei anderen Autoren, weitgehend unbearbeitet und als Anschauungs- und Vergleichsstoff für die weitere Forschung unbenutzbar und isoliert.
Keiner wagt zu ermessen, wie viel Zeit Bell für sein Hobby aufgewendet hat, wie viel Stunden er durch die Gemarkung streifte, um die Felder systematisch nach Funden abzusuchen - oft dem Spott Unwissender ausgesetzt. Und wie viel „Schrott" er mit nach Hause brachte, den er dann nach dem Saubermachen wieder wegwerfen musste. Ungezählte Abende und Nächte hat er mit Nummerieren, Katalogisieren und dem Einordnen verbracht. Das alles wurde mitgetragen in gütigem Einvernehmen mit seiner Ehefrau Marianne. Das Haus Bell war dem Interessierten immer offen. Heinrich selbst nahm sich immer die Zeit zur Begutachtung von vorgelegten Stücken, die die Besucher mitbrachten. Sein reicher Schatz an Erfahrung machte die Beurteilung von Stücken zu einer leichten Übung. Wo seine Überzeugungskraft anhand von Abbildungen nicht mehr weiter kam, griff er zurück auf Teile seiner über tausend Stücke zählenden Sammlung, die in Vitrinen und Kästen geordnet abgelegt waren. Und wie es hier im Lande gute Gepflogenheit ist, stand immer eine Flasche des köstlichen Weines aus eigenem Keller auf dem Tisch. So wurden auf manches neue Fundstück die gefüllten Gläser erhoben und angestoßen.
Selbst noch im hohen Alter nahm Bell an vielen, die heimatliche Historie betreffenden Vorträgen und Veranstaltungen gern teil. Selbst zu einem Zeitpunkt, als er mit dem Autofahren nicht mehr zurechtkam, ließ er sich noch gerne als Fahrgast einladen.
In den ersten Maitagen des Jahres 1986 hat man unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, Historienfreunde, Heimatfreunde, Naturfreunde und Jagdgenossen seinen Leib der Erde zurückgegeben, der Erde seines geliebten Heimatortes, in der er zu seinen Lebzeiten lesen konnte wie in einem offenen Buch. Deren Geheimnisse er näher gekommen war und seine gesammelten Erkenntnisse all denen mitgeteilt hatte, die es von ihm wissen wollten. Somit hatte er sein geistiges Erbe schon zu seinen Lebzeiten weitergegeben an alle die, die bereit waren, es von ihm anzunehmen.
Wie der Weilerer Bürgermeister Hans Günter Altenhofen auf Befragen verlauten ließ, soll nach der Renovierung des Rathauses ein Archiv- und Ausstellungsraum Bell gewidmet werden. Mit der Benennung „Heinrich-Bell-Saal" will man an die Person des Heimatforschers erinnern und ihn posthum ehren. Eine Schauvitrine, ausgestattet mit einigen beispielgebenden Funden aus Bells umfangreicher Sammlung, soll die Erinnerung an den großen Sohn Weilers wach halten. So gesehen erhalten Heinrich Bell und sein Lebenswerk, das er mit soviel Idealismus und Engagement aufgebaut und getragen hatte, an dieser Stelle eine angemessene Würdigung.
Der Erdenball dreht sich weiter. Auch die Erforschung der Altsteinzeit in Deutschland hat enorme Fortschritte gemacht. Die Anzahl der Fundflächen haben sich rasant vermehrt und die Stückzahlen der Funde vergrößert. An vielen Stellen im Lande hat die Bodenforschung nach altsteinzeitlichen Befunden gegraben. Zum Erstaunen sind die Ergebnisse von Grabungen manchmal auch nur derbe Quarzite, wie die von Weiler. Auch anderenorts sind von Feldoberflächen Artefakte vom „Weilerer Typus" bekannt geworden. Weiler steht somit heute nicht mehr im Mittelpunkt der Betrachtung.
Wo einst weiße Flecken auf der Verbreitungskarte noch einen größeren Raum einnahmen, liegen heute die dinglichen Hinterlassenschaften des altsteinzeitlichen Menschen greifbar vor uns. Wir blicken zurück auf die Entwicklung der hiesigen Forschungsgeschichte, die mit Heinrich Bell vor mehr als 60 Jahren ihren Anfang nahm. Viele haben ihm später nachgeeifert, er aber hatte den ersten Schritt getan.
Vermächtnis
So ist nun der Geschichte Gang,
Man sucht und forscht ein Leben lang,
Und plagt und fordert sich genug
Und ist am Ende doch nicht klug.
Da sind eigene geforschte
Quellen,
Da ist Verbindung herzustellen,
Hauptsächlich durch Analogien
Auch Fremdes in Betracht zu ziehen.
Den Schluss zu finden ist nicht
leicht,
Als dass ein Lebensalter reicht.
So werden tausend offene Fragen
Auf die Erben übertragen.
Kommt man auf der Erkenntnis
Leiter
Jahr um Jahr nur stückweis' weiter.
Dann wird man mitten von den Stufen
Zu Ewigkeiten abberufen.
Des Erben Erbe ist: dem Leben
Genau denselben Sinn zu geben.
Suchen, forschen, fragen, fragen
Und hören, was uns Steine sagen.
Am 10. Juni 1995 unternahm die Historische Gesellschaft Bingen eine Exkursion nach Weiler. Heinz-Josef Bell, der Sohn von Heinrich Bell, hatte sich zu einer Führung durch dieses interessante Weindorf bereit gefunden. Beim geselligen Abschluss im Lokal „Lautershof“, referierte Marianne Bell in aller Kürze über das Lebenswerk ihres verstorbenen Mannes als Heimatforscher. Aber die vorgesehene Zeit erlaubte es nicht, dieses Thema erschöpfend zu behandeln. Aus diesem Grunde sah sich die Historische Gesellschaft Bingen veranlasst, in dieser Weise an Bell und an sein Werk zu erinnern.